Erbrecht

Rubrik: Erbrecht

Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB Neuregelung

Änderung der Rechtsprechung zur Berechnungsgrundlage für Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 Abs. 1 BGB bei widerruflicher Bezugsrechtseinräumung im Rahmen von Lebensversicherungsverträgen

 

Der insbesondere für das Versicherungsvertragsrecht und das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die seit Schaffung des BGB umstrittene Rechtsfrage neu beurteilt, auf Grundlage welchen Werts ein Pflichtteilsberechtigter eine Ergänzung nach § 2325 Abs. 1 BGB* verlangen kann, wenn der Erblasser die Todesfallleistung einer von ihm auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherung mittels einer widerruflichen Bezugsrechtsbestimmung einem Dritten schenkweise zugewendet hat.

Der Bundesgerichtshof hat die bisherige, auf ein Urteil des Reichsgerichts aus den 1930er Jahren (RGZ 128,187) zurückgehende und an der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien anknüpfende Rechtsprechung aufgegeben, und entschieden, dass es allein auf den Wert ankommt, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können. In aller Regel ist dabei auf den Rückkaufswert abzustellen. Je nach Lage des Einzelfalls kann gegebenenfalls auch ein, objektiv belegter, höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein, insbesondere wenn der Erblasser die Ansprüche aus der Lebensversicherung zu einem höheren Preis an einen gewerblichen Ankäufer hätte verkaufen können. Dabei ist der objektive Marktwert aufgrund abstrakter und genereller Maßstäbe unter Zugrundelegung der konkreten Vertragsdaten des betreffenden Versicherungsvertrags festzustellen. Die schwindende persönliche Lebenserwartung des Erblasseres aufgrund subjektiver, individueller Faktoren, wie insbesondere ein fortschreitender Kräfteverfall oder Krankheitsverlauf, darf bei der Wertermittlung allerdings ebenso wenig in die Bewertung einfließen, wie das erst nachträglich erworbene Wissen, dass der Erblasser zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich verstorben ist.

Damit ist der Bundesgerichtshof einer Tendenz in Literatur und Rechtsprechung heute entgegengetreten, die, unter Berufung auf ein Urteil des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu einer ähnliche Fragestellung im Insolvenzrecht (BGHZ 156, 350), bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs auf die gesamte Versicherungssumme abstellen wollte.

In den entschiedenen Fällen haben die Kläger jeweils als enterbte Söhne des Erblassers gegen die Erben Pflichtteilsteilsergänzungsansprüche geltend gemacht, die sie auf Grundlage der ausbezahlten Versicherungsleistungen berechnen wollten. Die jeweiligen Berufungsgerichte haben die entscheidende Rechtsfrage unterschiedlich beantwortet. Während das Oberlandesgericht Düsseldorf den Pflichtteilsergänzungsanspruch auf Grundlage der vollen Versicherungssumme berechnet hat, ist das Kammergericht von der (geringeren) Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien als Berechnungsgrundlage ausgegangen.

Der Bundesgerichtshof hat beide Berufungsurteile aufgehoben und die Verfahren an die Berufungsgerichte zurückverwiesen, um den Parteien weiteren Vortrag unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung zu ermöglichen.

Da die in der Bundesrepublik Deutschland in Lebensversicherungsverträge investierten Beträge im Milliardenbereich liegen und die widerrufliche Einräumung von Bezugsrechten ein weit verbreitetes Mittel bei der Nachlassgestaltung darstellt, wird der Entscheidung, neben der rechtlichen Bedeutung, auch erhebliche wirtschaftliche und praktische Wirkung zukommen.

 

*§ 2325 I BGB lautet:
“Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigten als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem nachlass hinzugerechnet wird.”

 

Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08

Landgericht Mönchengladbach – Urteil vom 29. Juni 2007 – 11 O 433/06
Oberlandgericht Düsseldorf – Urteil vom 22. Februar 2008 – I-7 U 140707

Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 230/08

Landgericht Berlin – Urteil vom 27. Juli 2007 – 8 O 90/07
Kammergericht – Urteil vom 13. März 2008 – 16 U 35/07
Karlsruhe, den 28. April 2010

Neuregelungen 2010

Das sollte jeder wissen, der etwas zu vererben oder zu erben hat.

 

Pflichtteilsberechtigte

Pflichtteilsberechtigte sind die Abkömmlinge, der Ehegatte, der Lebenspartner (bei eingetragener Lebenspartnerschaft) und, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind, auch die Eltern; nicht aber die Geschwister des Erblassers. Der Erblasser kann diese Personen enterben, ihnen aber nicht den gesetzlichen Pflichtteil nehmen (§ 2303 BGB). Dies ist ein Zahlungsanspruch gegen den/die Erben in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteil. Um die Höhe des Anspruchs berechnen zu können, sieht das Gesetz für den Pflichtteilsberechtigten einen umfassenden Auskunftsanspruch gegen den Erben vor. Gehören zum Nachlass Grundstücke ist deren Wert durch Gutachten zu ermitteln.

Pflichtteilsergänzungsanspruch

Schenkungen des Erblassers in den letzten 10 Jahren vor dessen Tod sind vom Erben ebenso anzugeben, da Schenkungen der letzten 10 Jahre wertmäßig dem Nachlasswert hinzugerechnet werden, außerdem sämtliche Schenkungen an den Ehepartner.

Neu ist das sogenannte Abschmelzmodell: 

Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils 1/10 weniger berücksichtigt. Je später der Tod des Erblassers eintritt, desto günstiger wirkt sich das für den Erben, der den Pflichtteil auszuzahlen hat, aus. Bei Schenkungen zwischen Ehegatten beginnt die 10-Jahres-Frist erst mit Beendigung der Ehe zu laufen.

Beispiel:

Schenkung des Erblassers an Ehefrau am 01.01.1992, Todeseintritt 12.12.2004. Da die Ehe erst mit dem Tod aufgelöst wurde, muss der Wert des Schenkungsgegenstandes bei der Pflichtteilsberechnung voll berücksichtigt werden. Hat der Erblasser zwar einen Vermögensgegenstand verschenkt, sich aber den Nießbrauch vorbehalten, läuft die 10-Jahres-Frist erst mit Beendigung des Nießbrauchs.

Stundung des Pflichtteilsanspruchs

Wenn die sofortige Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs für den Erben eine unbillige Härte bedeuten würde (müsste er z.B. das Familienheim aufgeben), kann der Erbe nach neuer Gesetzeslage dessen Stundung verlangen (§ 2331 a BGB).

Pflichtteilsentzug

Nur bei schwerwiegenden Verfehlungen gegen den Erblasser und ihm nahestehenden Personen kann ein Pflichtteil entzogen werden. Wer den Pflichtteil entziehen will, muss in der letztwilligen Verfügung den Entziehungsgrund angeben.

Beschränkungen und Beschwerungen des Erben

Der Erbe ist oft dadurch beschwert/beschränkt, dass der Erblasser einen Nacherben einsetzt, einen Testamentsvollstreckers bestellt, eine Teilungsanordnung trifft oder aber ein Vermächtnis ausspricht. Ist ein solcher Erbe zugleich Pflichtteilsberechtigter, hat er nunmehr das Recht, den Pflichtteil zu erlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt (§ 2306 BGB).

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